Die Stadtmission Heidelberg veranstaltete am Freitag, den 19.10., ein Symposium mit dem Titel “Quo Vadis Altenhilfe”, dass sich mit den Veränderungen und Herausforderungen im Altenpflege-Sektor auseinandersetzte.
Für die musikalische Begleitung des Abends sorgte die Band “Blu Diversity” der Stephen-Hawking Schule Neckargemünd.
Zur Begrüssung erwähnte Pfarrer Matthias Schärr das 150. Jubiläum der Stadtmission und meinte, man solle den Abend dazu nutzen, den Blick auf den Status Quo der Altenpflege in Heidelberg zu richten und den Blick auch in deren Zukunft zu werfen. Schärr begrüsste das Publikum und stellte den Referent des Abends sowie die Podiumsgäste vor.
Vor dem eigentlichen Vortrag spielte zunächst die Band “Blu Diversity” einige Lieder, bevor Prof. Dr. Johannes Eurich, der Direktor des Diakoniewissenschaftlichen Instituts der Universität Heidelberg, ebenfalls noch eine kurze Begrüssungsansprache hielt. Eurich warf einen Blick auf die Frage, wie ältere Menschen in Zukunft gepflegt werden können. Er wies auch darauf hin, dass es bis 2030 doppelt so viele Menschen mit Demenz geben werde und Krankheiten bei älteren Menschen zu oft mit zu vielen Medikamenten behandelt würden, was viele in die Medikamentenabhängigkeit bringe.
Als Referent sprach zuerst Prof. Dr. Dr. Andreas Kruse, der Leiter des Gerontologischen Instituts der Universität Heidelberg.
Der Vortrag von Professor Kruse bewegte sich rund um das Thema Altenpflege, Demenz, Altern und auch Sterben.
In seinem Vortrag mischte Kruse diverse Themenpunkte aus den Bereichen demografische Entwicklung, Pflege-Bedarf, Pflegemöglichkeiten, Methoden der Altenpflege, und Herausforderungen, denen sich das Gesundheitswesen, aber auch Angehörige und sozial Engagierte in diesem Bereich stellen müssten.
Kruse wies auf die steigende Lebenserwartung und die damit verbundenen Folgen für alternde Menschen, deren Angehörige und Pflegeinrichtungen hin.
Er ging ein auf die Bedürfnisse älterer und demenzkranker Personen und die Kapazitäten, die im Pflegebereich zur Bewältigung der steigenden Anzahl Pflegebdürftiger geschaffen werden müssten.
Beim Thema Demenz ging Kruse auf die steigende seelische Verletzlichkeit der Erkrankten ein, die mit den degenerativen, zur Demenz führenden, Erkrankungen einhergehen. Auch die seelische Weiterentwicklung im Alter sei eine drängende Frage, so Kruse.
Für die Bewältigung der Pflegeproblematik, sei, nach dem Wegfall von Zivildienst und der sinkenden Anzahl von Pflegekräften und aufgrund von Sparmassnahmen, ein breiteres Engagement der gesamten Sozialgesellschaft notwendig, sagte Kruse. Dieses Engagement sei zentraler Bestandteil einer funktionierenden Demokratie.
Kruse betonte, dass die Altenpflege nicht nur auf professioneller Basis durchgeführt werden könne, sondern vor allem auf familiärem und gesellschaftlichem Engagement aufbaue.
Desweiteren forderte Professor Kruse die Umstrukturierung der Pflegeversicherung, damit sich auch zukunftig die Menschen eine ausreichende Alterspflege leisten könnten. Hierbei nahm er sowohl Kommunen, als auch Bund und Länder, in die Pflicht.
Aufgrund von Zuschussstreichungen von Bund und Ländern an die Kommunen würden die Aufwendungen dieser immer grösser, was nicht alle Kommunen verkraften könnten.
Kruse sieht die Gefahr, dass zukünftig immer mehr ältere Menschen in eine Armutsspirale fallen könnten, wenn die Privatisierung der Pflegevorsorge ausgebaut und staatliche Leistungen stattdessen abgebaut würden.
Kruse sieht die Pflegeversicherung als Frage der Gerechtigkeit, für die auch reichere Menschen in die gesellschaftliche Pflicht genommen werden müssten. Hierfür sei es erforderlich, neue Rahmenbedingungen zu schaffen.
An der anschliessenden Podiumsdiskussion nahmen der Sozialbürgermeister von Heidelberg, Dr. Joachim Gerner, Heidi Farrenkopf, die Geschäftsführerin der Altenhilfe der Evang. Stadtmission, Birgit Duske, Leiterin der Schule für Alten- und Altenpflegehilfe der Akademie für Gesundheitsberufe in Heidelberg, sowie als Angehörigenvertretung von Menschen in Pflegeheimen, Frau Helga Raschke, teil.
In der Diskussion ging es u.a. um die Frage der stationären und ambulanten Pflege. Sowohl Heidi Farrenkopf, als auch Birgit Duske erklärten, dass es schwierig sei, aufgrund von Dokumentationsvorschriften und Restriktionen eine individuelle Pflege zu verwirklichen.
Alle Podiumsgäste waren sich einig, dass flexiblere Rahmenbedingungen äusserst notwendig seien um Alternden auch in Zukunft einen guten Lebensausklang zu ermöglichen.
Auch die Schaffung neuer Wohnformen, wie Generationenhäuser, und die Förderung der familären Pflege seien Möglichkeiten, die wachsenden Herausforderungen zu bewältigen.
Ein Hindernis sei der schlechte Ruf von Altenpflegeheimen, der durch Medienberichte über schwarze Schafe der Branche großflächig für Probleme und Misstrauen sorge. Der allergrösste Teil der Pflegeeinrichtungen und Pflegekräfte sei mehr als zuverlässig, versicherte Birgit Duske.
Im Verlauf der Diskussion wurde auch die geplante Umstrukturierung des Pflegesektors, der derzeit in Alten, Kranken- und Behindertenpflege dreigeteilt ist, hin zu einer einzigen allumfassenden Pflegeausbildung kritisiert.
Am Beispiel von ländlichen Regionen wurde betont, dass Altenpflege als gesellschaftliche Aufgabe durchaus umsetzbar sei.
Dr. Gerner fügte an, dass Heidelberg mit dem flächendeckenden Angebot an Seniorenzentren ein positives Beispiel im Bereich der Altenbetreuung sei. Die Seniorenzentren würden zudem immer mehr zu breitgefächerten Service- und Informationszentren für alte Menschen umstrukturiert.
In der Dikussion mit dem Publikum ging es dann u.a. um Fragen nach Unterstützung für Angehörige, Therapie und Umgang mit Demenzkranken, die Notwendigkeit von Inklusionsprogrammen in den freiwerdenden US-Flächen und die Problematik der sich auflösenden Familienstrukturen.
Desweiteren wurde angeregt, das Thema Umgang mit Kranken und Pflegebedürftigen bereits in Kita oder Schule in den Unterrichtsstoff einzubeziehen, um die zwischenmenschliche Empathie zu fördern, dies könnte auch durch den direkten Kontakt von Alten und JUngen Menschen erreicht werden. Als Beispiel wurde hierfür die Kita St. Bernhard genannt, die ihren Hof mit einem Altenheim teilt.
Professor Kruse nannte zum Abschluss der Diskussion auch noch die Idee sogenannter Zeitkonten, die für das freiwillige Engagement von Menschen eingerichtet werden könnten.
Nach zwei weiteren Liedern der Band beendete Pfarrer Schärr den offiziellen Teil der Veranstaltung und lud noch zum gemeinsamen Ausklang mit bereitgestellten Speisen und Getränken ein.
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